Made in Switzerland: Könnten Schweizer Apps und Technologie-Startups hierzulande Fuß fassen? | Taucha kompakt

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Veröffentlicht am 03.11.2025 14:37

Made in Switzerland: Könnten Schweizer Apps und Technologie-Startups hierzulande Fuß fassen?

Haben Sie schon Apps aus der Schweiz auf Ihrem Smartphone? (Foto: Pexels)
Haben Sie schon Apps aus der Schweiz auf Ihrem Smartphone? (Foto: Pexels)
Haben Sie schon Apps aus der Schweiz auf Ihrem Smartphone? (Foto: Pexels)

Die Ambitionen von Schweizer Tech-Start-ups sind groß. Von Zürich nach Berlin und von Lausanne nach Leipzig haben sie die zahlende Kundschaft in Deutschland im Blick.

Immer mehr Gründerinnen und Gründer aus der Schweiz schauen über die Grenze zum deutlich größeren Nachbarn mit Potenzial, Förderprogrammen und einem unersättlichen Appetit auf digitale Innovation. Doch wie stehen die Chancen, dass diese ambitionierten Projekte auch wirklich Wurzeln schlagen?

Der deutsche Markt als Sprungbrett

Größerer Markt, mehr Nutzer, breitere Bühne, das sind die Hauptargumente, die Startups aus der Schweiz in Richtung Deutschland blicken lassen. Während die Schweiz mit knapp neun Millionen Einwohnern überschaubare Dimensionen bietet, öffnet sich jenseits der Grenze ein Markt mit fast zehnmal so vielen potenziellen Kunden. Wer wachsen will, kann sich dieser Chance kaum entziehen.

Dazu kommt die geografische und sprachliche Nähe. Gerade für Start-ups aus Zürich, Bern oder Luzern ist Berlin nur eine ICE-Fahrt entfernt und kulturell gibt es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.

Auch regulatorisch ist der Schritt vergleichsweise unkompliziert und wirtschaftlich ist Deutschland sowieso eng verflochten mit der Schweiz. Obendrein gilt die Bundesrepublik als Türöffner für die gesamte EU und als Bühne, auf der sich viele junge Unternehmen gern präsentieren möchten.

Startups wie das Zürcher PropTech-Unternehmen viboo zieht es also ganz und gar nicht ohne Grund über die Grenze und einen weiteren großen Vorteil haben sie obendrein auch noch, denn die steigenden Energiepreise und der wachsende Druck zur Energieeffizienz in Deutschland schaffen einen perfekten Nährboden für Lösungen aus der Schweiz.

Chancen und Hürden im Bereich Glücksspiel

Ein heikles, aber spannendes Feld ist etwa der Bereich Glücksspiel. Die Schweiz erlaubt seit einigen Jahren Online-Casinos, aber der Markt ist streng reguliert. Dennoch entwickeln sich rund um diese Nische spannende technologische Lösungen, die durchaus exportfähig wären. Dabei geht es etwa um Spielerschutz, Authentifizierung oder Payments.

Deutschland selbst hat mit dem Glücksspielstaatsvertrag ebenfalls eine komplexe, aber zunehmend strukturierte Regulierungslandschaft. Wer es schafft, sich hier zu lizenzieren und gleichzeitig innovative, sichere Lösungen anzubieten, könnte auf einen Markt außerhalb der Schweiz treffen, der nach vertrauenswürdigen Technologien sucht. Doch das ist ein schmaler Grat, der ein tiefes Verständnis beider Regelsysteme erfordert.

Wie stabil ist die Schweizer Startup-Szene aktuell?

Auf den ersten Blick sieht alles stabil aus. Die Zahl der Neugründungen steigt leicht, die Innovationskraft ist weiterhin beeindruckend. Im ersten Halbjahr 2025 wurden in der Schweiz rund 27.600 neue Firmen registriert, ein Zuwachs von 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch dieser positive Trend ist nicht überall gleich stark ausgeprägt. Einige Regionen boomen, andere kämpfen mit stagnierendem Unternehmergeist.

Ein Blick auf die Investitionen zeigt ein differenziertes Bild. Zwar wurden 2024 mehr als zwei Milliarden Franken in Start-ups gesteckt, doch das Kapitalvolumen schrumpfte im Vergleich zum Vorjahr um satte 15 Prozent. Während KI-Startups mehr als doppelt so viel Geld anzogen wie im Jahr zuvor, taten sich andere Branchen deutlich schwerer, frisches Geld zu bekommen. Auch die Kehrseite der Medaille sollte man nicht übersehen. Allein im ersten Halbjahr 2025 gaben 65 Start-ups in der Schweiz auf. Ob aus finanziellen Gründen, wegen strategischer Fehlentscheidungen oder schlicht mangels Marktakzeptanz, der Weg nach oben ist steinig, auch in der Alpenrepublik.

Wer sich behaupten will, muss mehr mitbringen als eine gute Idee

Die Schweiz ist für ihre Qualität und Detailverliebtheit bekannt. Diese Eigenschaften sind in der Produktentwicklung Gold wert. Doch der deutsche Markt verlangt zusätzlich Tempo, Skalierung und ein tiefes Verständnis für lokale Eigenheiten. Eine App, die in Zürich funktioniert, muss nicht automatisch auch in Köln begeistern.

Unterschiede im Nutzerverhalten können durchaus Stolpersteine sein. Während Schweizer Konsumenten oft eher zurückhaltend und sicherheitsorientiert agieren, ist das deutsche Publikum experimentierfreudiger, aber auch kritischer. Marketing muss in Deutschland lauter, direkter und oft emotionaler kommunizieren, während Vertriebskanäle und Payment-Lösungen deutlich stärker lokalisiert sein müssen.

Und dann ist da noch die Sache mit dem Wettbewerb. Deutschland hat eine lebendige Gründerszene, gut finanzierte Player und einen App-Markt, der vor Ideen nur so sprudelt. Wer hier nicht mit einem durchdachten Fahrplan einreist, landet schnell in der Bedeutungslosigkeit.

Diese Schweizer Apps und Plattformen überzeugen schon heute deutsche Nutzer

Es gibt sie, die Erfolgsgeschichten. Etwa Threema, der verschlüsselte Messenger, der spätestens seit dem NSA-Skandal 2013 in Deutschland durchstartete. Bereits 2014 stammten rund 80 Prozent der neuen Nutzer aus Deutschland. Versprochen wurden damals maximale Privatsphäre, keine Werbung und keine Datensammelei. Ein Konzept, das gerade im Datenschutzklima der deutschen Gesellschaft auf fruchtbaren Boden fiel.
Oder FAIRTIQ, eine App für den öffentlichen Nahverkehr, die das lästige Ticketziehen überflüssig macht. Auch hier sind die Vorteile klar erkennbar. Einfachheit, Effizienz und eine smarte Technologie, die aus der Schweiz stammt, aber mittlerweile in Baden-Württemberg und darüber hinaus genutzt wird.

Womit also können Schweizer Startups punkten? Ganz klar mit technischer Exzellenz, hoher Produktqualität und einem ausgeprägten Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Bereiche wie Cleantech, Energieoptimierung oder PropTech sind wie gemacht für den deutschen Markt, der sich mit Nachdruck in Richtung Klimaneutralität bewegt. Auch im Bereich künstliche Intelligenz wächst die Szene, unterstützt durch Hochschulen wie die ETH Zürich oder die EPFL in Lausanne, rasant.

Dazu kommt ein nahezu legendäres Verständnis für Datenschutz. Schweizer Apps werben gern mit ihren Serverstandorten und der Unabhängigkeit von EU- oder US-Rechtszugriffen. In Zeiten digitaler Skepsis kann das ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil sein.

Wenn die Expansion scheitert und was daraus gelernt werden kann

Scheitern ist keine Schweizer Tugend, kommt aber vor. Mehr als fünf Dutzend Start-ups mussten allein 2025 das Handtuch werfen. Häufigste Gründe waren zu ambitionierte Pläne, zu wenig Kapital oder schlicht eine Fehleinschätzung des Zielmarkts. Was erfolgreiche Unternehmen besser machen? Sie hören hin. Sie passen sich an. Sie testen, statt gleich flächendeckend zu starten. Ein Soft Launch in Bayern ist oft besser als ein überstürzter Start in ganz Deutschland. Lokale Partner, erfahrene Mentoren und realistische Erwartungen sind oft entscheidender als die technologische Brillanz.

Schweizer Start-ups drängen nach Deutschland. Nicht laut, aber zielgerichtet. Die Voraussetzungen sind gut, die Fallstricke zahlreich. Wer sie kennt und klug navigiert, kann in einem der größten Technologiemärkte Europas bestehen und vielleicht wird dann irgendwann nicht mehr gefragt, ob Schweizer Apps hierzulande Fuß fassen können, sondern wie schnell sie den Markt mit ihrer typisch schweizerischen Mischung aus Präzision und Innovationsgeist erobern. Denn das Potenzial ist da, man muss es nur wachrütteln.


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