Mit einer Gedenkstunde wurde am 7. Mai der erste Stolperstein in Taucha gesetzt. Er gedenkt Hermann Alfred Bock, einem Verfolgten des NS-Regimes.
Nachdem im Jahr 2022 bereits eine Stolperschwelle in Taucha verlegt wurde (die weiterhin vor dem falschen Haus liegt), hat Taucha seit 7. Mai auch einen Stolperstein. Die Schwelle erinnert an viele Zwangsarbeiter währender NS-Zeit. Der Stolperstein geht individuell auf ein einzelnes Schicksal ein: Er gedenkt Hermann Alfred Bock, der aufgrund seiner politischen Überzeugung im Nationalsozialismus verfolgt wurde. Er wohnte mit seinen Eltern Gustav Hermann Bock und Anna Auguste Louise Bock, geb. Frühauf sowie seinem jüngeren Bruder Hermann Ewald Bock in der Marktstraße 16. Er war Mitglied des Kommunistischen Jugendverbands Deutschlands und der Roten Hilfe Deutschlands. Der am 20. Dezember 1912 geborene Tauchaer kam im März 1933 in so genannte „Schutzhaft” - im Amtsgericht Taucha, dem heutigen Rathaus.
Das Schicksal von Alfred Bock recherchierten in den vergangenen Monaten Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse des Geschwister-Scholl-Gymnasium Taucha. In Zusammenarbeit mit dem Leipziger Erich-Zeigner-Haus e.V. rekonstruierten sie die Biographie anhand originaler Dokumente, unter anderem aus dem Staatsarchiv. Im Rahmen einer Exkursion in die Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin sowie einem Stadtrundgang in Taucha setzten sie sich intensiv mit der Zeit des Nationalsozialismus und der Lokalgeschichte auseinander. „Wir freuen uns sehr, in enger Zusammenarbeit mit dem Geschwister-Scholl-Gymnasium den ersten Stolperstein in Taucha verlegen zu können und damit einen wichtigen Beitrag für die lokale Erinnerungskultur zu leisten”, sagte die Projektleiterin Emily Bandt vom Erich-Zeigner-Haus e.V. zum Abschluss des Projekts.
Der Termin 7. Mai sei nicht willkürlich gelegt worden, so Emily Bandt weiter. „Vor 79 Jahren, am 7. Mai 1945, wurde Alfred Bock nach insgesamt zwölf Jahren Haft, Zuchthaus und Konzentrationslager schließlich befreit. Danach lebte er in der Lindnerstraße 11 in Taucha, wo er mit nur 36 Jahren starb.” Bürgermeister Tobias Meier rief in seiner Ansprache aus, dass der Spruch „Nie wieder” keine Floskel bleiben dürfe. „Im Jahr 1933 erfolgte die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Im gleichen Jahr wurden politisch anders denkende in Haft genommen. Umso wichtiger ist es, dass nach europaweit über 100.000 Stolpersteinen nun auch einer in Taucha liegt. Sie sind gelebte und diskutierte Erinnerungsarbeit. Es gibt aber auch Kritik. Sie werden oft übersehen und betreten. Aber: Man verbeugt sich vor ihnen, um die Inschrift lesen zu können. Ich hoffe, dass sich viele mit der Person Alfred Bock auseinandersetzen. Wer vermutet denn, dass in unserer beschaulichen Stadt jemand abgeholt wurde, weil er ein politisch Andersdenkender war”, so Meier weiter, der auch auf das Grundgesetz verwies: „Die Würde des Menschen ist unantastbar, so steht es in Artikel 1. Das war damals eine Antwort auf die Erfahrungen der NS-Zeit. Und bis heute gibt es keine bessere Antwort.” Sein aufrichtiger Dank gelte allen, die sich damit auseinander gesetzt haben. „Den Schülern, den Lehrern und Gunter Demnig, der seit Jahren Stolpersteine in ganz Europa verlegt”, zählte Meier auf. Die weiteren Orte des Künstlers, der die Idee für die Stolpersteine hatte, seien Wermsdorf, Nossen und Falkenstein. Danach folge Süddeutschland, so der scheinbar nie still stehen wollende Berliner.
Uta Nerger, Fachlehrerin für Gesellschaftswissenschaften am Geschwister-Scholl-Gymnasium dankte den historisch interessierten Schülerinnen und Schülern, die sich dieses wichtigen Themas genähert hätten. „Ich bin mir ganz sicher, dass ihr viele Dinge für Euch persönlich mitgenommen habt, die Euch in Erinnerung bleiben werden. Und ich bin mir auch sicher, dass ihr weiter engagiert bleiben werdet, Zuversicht gebt, dass die Vergangenheit weiter aufgearbeitet wird und dass sie nicht in die heutige Zeit so aktiv eintreten kann, wie man aktuell ein bisschen Angst hat”, sagte sie.
Auch Gunnar Simon, Geschäftsführer der städtischen Wohnungsgesellschaft IBV (WOTa), in deren Eigentum und Verwaltung das Haus Marktstraße 16 liegt, zeigte sich tief bewegt: „Die NS-Zeit und ihre Gräueltaten erschrecken einen immer wieder. Vor allem dann, wenn diese Taten direkt vor der heutigen Haustür passierten. Umso wichtiger ist die Aufarbeitung und wir danken den Schülerinnen und Schülern sehr dafür.”
Unter den Zuhörern während der Gedenkstunde waren auch Schülerinnen und Schüler der Helmholtz-Oberschule in Leipzig. Im Rahmen des Ethik- und Geschichtsunterrichts führte sie die Exkursion nach Taucha. Sichtlich bewegt hörten sie den Reden zu und schrieben mit. Interessant und traurig zugleich sei das Schicksal von Alfred Bock sowie die gesamte Geschichte des Nationalsozialismus, war die einhellige Meinung.